Der Hl Franziskus

« Alle Heiligen sind von Gott berufen, um der Kirche zu dienen. Allerdings gibt es darunter Heilige, die ein Charisma, eine spezielle Aufgabe, haben.
 
Franziskus war einer dieser aussergewöhnlichen, von der Vorsehung berufenen Wesen. Das Charisma ist eine Aufgabe, die man sich nicht selbst aussucht, sondern die von Gott gegeben wird, um Christi Körper aufzubauen. Es wäre also nicht weise, diese zu ignorieren oder geringzuschätzen.
 
Gott hat Franziskus gewollt, um  in der Kirche das Licht des Glaubens und das Feuer der Liebe zum göttlichen Heiland wieder anzufachen, damit es wieder so froh und so kräftig brenne wie zur Zeit der ersten Christen.
Sein Charisma war folgendes : so perfekt wie möglich ein anderer Christus zu werden, lebendiges Spiegelbild des Lebens Christi, seiner Gegenwart, seiner Liebe. Fest gebaut auf den Felsen des Glaubens des Petrus, sein Herz dem Hl. Geist gehorsam rein und frei zu machen und es auszuweiten, bis es der grenzenlosen Nächstenliebe Christi angepasst sei durch sein unerschütterliches Festhalten an der „Dame Armut“ (Armut im stärksten Sinne der Entäusserung, der Demut, der Einfachheit), eine Gnade, die er gewiss in Rom erhalten hat…
 
Er hat sich leidenschaftlich Jesus angeschlossen, einzig darauf bedacht, seinen  Spuren zu folgen. Vielleicht wäre es richtiger, zu sagen : Christus selbst hat ihn sich angeschlossen durch die brennende Macht seiner Liebe; das ging so weit, dass Jesus und Franziskus nur noch ein einziges liebendes, leidendes und erlösendes Wesen wurden. »
Saint François
« Eines Tages hat Franziskus deutlich folgende Worte vom Kreuz herabfallen gehört: „Franziskus, bau mein Haus wieder auf; du siehst, es zerfällt zur Ruine!“
 
Seit Monaten wanderte der junge Mann wie blind auf einem Weg, der abwechselnd wie von Himmelsblitzen erhellt und dann  plötzlich wieder ganz dunkel oder zwielichtig erschien. Sein Geist stieg auf aus der Tiefe seiner gequälten Seele hin zum Bildnis Jesu. Diese mal hat er gesehen … hat er gehört. Beim Klang dieser Stimme, vor diesem Blick, erzitterte er: die Stimme, der Blick, liessen ihn die grenzenlose und ewige Liebe des göttlichen Herzens erschauen. Seine Bekehrung war unwiderruflich geworden.
 
Es lohnt sich, diesen Christus fest anzuschauen, in seine Augen, in sein Herz einzutauchen. Jeder wird mühelos seinen Elan zum Gebet, zum Opfer und zur Liebe kennenlernen. »
Saint François fresque
« Um lieben zu können, braucht es Liebe auf den ersten Blick, die wie ein Blitzstrahl einschlägt… Franziskus hat solch einen Blitzstrahl erlebt. Wie Paul war er sosehr von Leidenschaft für den Herrn erfüllt, dass er es wagte, ihn zu bitten, er möge ihn doch etwas von der Liebe, die bei seinem Leiden am Kreuz in ihm für uns brannte, spüren zu lassen. Das war zur Zeit des Kreuzfestes. Christus erhörte seinen leidenschaftlichen Liebhaber: das Wunder der Stigmatisierung fand statt – das göttliche Siegel der perfekten Ähnlichkeit mit dem Retter … Ein bisher in der Kirche noch unbekanntes Wunder, das das Volk Gottes in heiliges Erstaunen versetzte und in manchem Herzen die Liebe zum göttlichen Erlöser entfachte.
 
Lasst uns Franziskus bitten, ebenfalls von Jesus gepackt und entfacht zu werden.
Seien wir entschlossen, uns an ihn zu binden, von ganzem Herzen. Lasst uns an diese einzigartige, unauslöschliche Liebe glauben. Lasst uns wachen, gestärkt von dem Glauben des Petrus und der ganzen Kirche, um zu den Kleinen und zu den Armen zu gehören, von denen das Evangelium spricht; Kleine, die sich unablässlich bemühen, auf den Spuren des himmlischen Führers zu wandeln, dem uns die göttliche Vorsehung anvertraut hat. Dies wird unsere Stärke, das Geheimnis unserer Kraft sein. Lassen wir uns führen von dem Gott der Liebe mit dem Vertrauen der ganz Kleinen. Dann sprudelt tief in unserer Seele etwas von dem Lied des Franziskus hervor … »
croix de Saint FRançois
« Aus welchem Grund sollte man sich an den Heiligen von Assisi anseilen ? Warum sollte man sich einem Heiligen aus dem Mittelalter anschliessen ?
Eben weil wir Christus entdecken, häufig besuchen und lieben wollen; weil wir uns mit ihm identifizieren wollen, seine Zeugen sein wollen, weil wir ihn ausstrahlen möchten, damit die neue Erde eine helle und glückliche Welt werde, eben aus diesem Grund nähern wir uns Franziskus von Assisi: das ist er, der Poverello; der Mann des Evangeliums und auf eigene Weise ein „anderer Christus“.
Pius XI. sagt uns in seinem Hirtenbrief folgendes: „Und so wurde uns dieser Mann von oben gesandt, zum Heil seiner verwirrten Epoche und mehr noch zur Unterstützung der christlichen Gemeinschaft aller Zeiten; aus diesem Grund hat die Katholische Aktion ihn von unserem direkten Vorgänger zum himmlischen Beschützer bekommen. »
Das Evangelium war am untergehen. Franziskus seufzte: man kennt Christus nicht mehr und liebt ihn nicht mehr. Dies zum Unheil der Menschen, sowohl in dieser Welt als auch in der anderen.
 
Das Evangelium war am untergehen, weil seine Lehre der Armut, der Einfachheit und des Entsagens in Vergessenheit geraten war. Denn das Evangelium verlangt Seelen, die sich bereithalten: geradlinige und offene Seelen, die suchen, was wahr ist; reine Seelen, leere Seelen, oder vielmehr Seelen, die sich leer machen durch Freiheit von allem Besitztum dieser Erde und dementsprechend auch frei werden von Genuss und Bequemlichkeit. Damit das Evangelium wirklich eine frohe Botschaft ist – mit anderen Worten, um Jesus zu finden, der ganz Gnade, Leben, Freude, Reichtum ist – muss man arm werden, und alles, was damit verbunden ist … demütig, einfach, voller Entsagung. Wer Gold trägt, ist schwerfällig; wer Silber und Reichtum der Welt liebt, ist unfähig, zu Christus aufzusteigen.
 
Aber wer nichts besitzt, wer an nichts hängt, ist bereit zum göttlichen Aufsteigen, zum göttlichen Umarmen.
 
Franziskus hat die Süsse des göttlichen Geistes der Armut erkannt, diese einfache, kindliche Nacktheit der Seele, an der weder die unerfüllte Sehnsucht nach Geld klebt noch der Genuss des Reichtums.
 
Wenn Christus nicht geliebt wird, wird auch der Nächste nicht wirklich geliebt. Aus diesem Grunde ist das Zeitalter des Franziskus ein Zeitalter gesellschaftlichen Hasses, der Grausamkeit, endloser Leidenschaften, die auf Kosten der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und der Lebensfreude walten.
 
Ohne Geist der Armut, kein Geist der Nächstenliebe! Franziskus’ Genie hatte das klar erkannt.
 
Die Liebe zum Reichtum ist der Ursprung aller Sünde. Gänzliches Entsagen würde uns den Engeln gleich machen: sanft, einfach, gut, mit nichts zufrieden. Bereit, alles, selbst das notwendige, zu teilen. Ohne schwarze Sorgen. Welche Freude würde herrschen, wenn das Böse verschwände! Dann wäre Gott wirklich Gott für uns: der lebendige und wahre Gott. Der Nächste wäre wirklich ein Bruder für uns. Dann würden uns die Wahrheit, die Gnade und das Leben des Evangeliums regelrecht ins Auge springen. Dann würde wirklich Zeugnis für Christus abgelegt, nicht in Worten, aber durch die Wahrheit und das Leben. Da liegt der fühlbare Beweis für das Göttliche im Christentum: das wahre Leben, ein Leben, das wahrhaft erfüllt und fruchtbar ist dank der Armut.
 
Wohingegen für den Reichen im Evangelium sein Geld sein wahrer Gott ist, sowie sein Genuss, seine falsche, scheinbare Grösse, sein Egoismus.
 
Franziskus von Assisi besass die Weisheit der ganz Kleinen : er wurde zum „Poverello“.
Und seine Brüder wurden Minderbrüder; seine Töchter vom zweiten Orden die „Armen Frauen“. Und einer göttlichen Eingebung folgend, rief er eine Armee lebendiger Christen ins Leben, die bis in die Seele der Gesellschaft eindringen, wie Öl in den härtesten Marmor eindringt und ihn mit seinem Duft durchdränkt. Sie waren wie Laien ihrer Zeit gekleidet, gründeten zahlreiche Familien, zeigten sich am Tresen der Kaufläden, im Laden der Handwerker, in den Sälen der Universitäten, im Gericht, auf dem Schlachtfeld und auf Königsthronen und überall erfüllten sie die Pflichten, die ihnen in ihrer gesellschaftlichen Position und in ihrem Wirkungsbereich oblagen. (Pius XII., Ansprache vom 20.9.1945)
 
Diese Söhne und Töchter des Hl. Franziskus in der Welt sehnten sich mit Herz und Seele danach, das Evangelium zu leben wie der Hl. Franziskus es lehrte …
 
Auf diese Weise sollte die Gesellschaft wieder christlich werden. Christus sollte wieder gekannt und geliebt werden. Er wurde wieder zum Reichtum, zur Freude und zum Leben der Christen. Christus selbst und Christus in unseren Brüdern! Die ganze Kirche atmete die reine Luft der kargen franziskanischen Lebensweise ein.
 
Liebe Brüder und Schwestern, unsere Meditation über Franziskus, den Poverello hat sich in die Länge gezogen. Was sollte man dazu anderes sagen als folgendes : dies alles ist von so grosser Wichtigkeit und so entscheidend im Leben des Heiligen und in seiner Berufung, die Kirche und die Gemeinschaft der Christen wieder aufzubauen.
 
Diese Armut im Sinne des Evangeliums muss denselben Platz einnehmen in Ihrem eigenen Leben und in Ihrer eigenen Berufung als Mitarbeiter beim Aufbau der neuen Zeiten. In der heutigen Zeit, in der der Wunsch nach Reichtum, Genuss  und Egoismus dominieren, braucht man wirklich das Beispiel christlicher Armut, die einhergeht mit Demut, Treue zum Gebet, Liebe zur Arbeit und heiliger geistlicher Freude. „Ihr seid das Licht der Welt, das Salz der Erde.“ Es steht von Zweifel frei, dass alle lebendigen Kräfte der katholischen Kirche gebraucht werden, um unser Land wieder aufzubauen, aber unter all diesen Kräften verlässt sich die Kirche selbst in besonderem Masse auf den Geist des Hl. Franziskus von Assisi, einen Geist, der den irdischen Gütern mit Entsagung begegnet.
Einen Geist, der eine Herausforderung an die Welt darstellt.
 
Das ist der Grund dafür, dass die zeitgenössischen Päpste, von Leo XIII. bis hin zu Pius XII. alle den franziskanischen Geist gelobt und angeraten haben.
 
Sie erwarten von ihm in erster Linie die geistliche Erneuerung und den Frieden der Welt.

Florilèges de prières de saint François

(à travers les films du père Marie-Joseph)
 
Durée : 29 min 44“