Seine geschichte

Aloyse Gerber hat seine Liebe zum franziskanischen Orden seinen Eltern zu verdanken, die selbst Tertiarier waren. Er wurde am 27. Februar 1907 als neuntes von den zwölf Kindern der Familie geboren, und zwar in dem elsässischen Dorf Eckbolsheim, in der Nähe von Strassburg. Mit 11 Jahren kam er in die seraphische Schule in Strassburg-Koenigshoffen, die von Kapuzinerbrüdern geleitet wurde. Er war noch keine zwölf Jahre alt, als seine Mutter starb, die ihm in seiner Berufung zum Priestertum, die in seinem Kinderherzen heranreifte, unterstützt hatte: „die grossen Gnaden, die ich in meiner Jugend erhalten habe, habe ich in den nächtlichen Gebetsstunden erhalten. Jeden Monat hatten wir im Gymnasium nächtliche Anbetung.“

enfance
Sobald er die höhere Schule absolviert hatte, betrat er 1924 das Noviziat der Kapuzinerminderbrüder in Sigolsheim. Am 14. August desselben Jahres bekam er das Kapuzinergewand und den Namen Bruder Marie-Joseph. Im Kloster in Strassburg-Koenigshoffen studierte er von 1925 bis 1928 Philosophie. Nach dem Militärdienst begann er 1929 sein Theologiestudium und beendete sein Noviziat. Zu diesem Zeitpunkt begann er auch seinen kostbaren Briefwechsel mit seiner Schwester Reserl, die ihrerseits bei den Franziskanerinnen, den Marienmissionarinnen, eingetreten war. Beide wandeln von da an auf dem geistlichen Weg der Hl. Theresia vom Kinde Jesu. Lange Jahre über trug Père Marie-Joseph ein Foto der hl. Theresia bei sich, das er über das Karmeliterinnenkloster in Marienthal von Celine bekommen hatte.
 
Sein feierliches Gelübde legte Bruder Marie-Joseph 1930 in Tours ab. Daraufhin zog er nach Toulouse, wo er das katholische Institut besuchte: seine Studien der Kirchengeschichte sollten für seine weitere Entwicklung grundlegend sein. Eben diese Studien verhalfen ihm zu seinem tiefen Sinn für die richtigen Entscheidungen und verwurzelten in ihm seine tiefe Liebe zur Kirche; durch sie lernte er die Geschichte des Ordens kennen und sie gaben ihm für immer tiefes Vertrauen zu Gott im Verhältnis zu allen Schicksalsschlägen der Geschichte.
Père Marie-Joseph - Voeux

Am 14. August 1924 tritt er in den Orden ein und erhält den Namen Bruder Marie-Joseph

Am Fest des Hl. Josef, dem 19. März 1932, wird Bruder Marie-Joseph zum Priester geweiht. So vertraut er sich 1933 seiner Schwester an:  „Eine immense Sehnsucht verzehrt mich, das zu vollbringen, was ich als meine Mission ansehe: dem „Christus der franziskanischen Seele“ viele Seelen zu erobern und eine Gruppe von Aposteln, die 100prozentig dem 3. Orden angehören, zu gründen, zu unterstützen und in Gang zu setzen.“ Seine Vorgesetzten baten ihn, seine Studien der Kirchengeschichte in Toulouse abzubrechen: in Bitche sollte sich sein Priesteramt nun zur Entfaltung kommen. Während er in der Diözese Metz das Amt des Beichtvaters und Predigers ausübte, unterrichtete er gleichzeitig die jungen Brüder im Studienkloster in Bitche in der Kirchengeschichte.
 
Aber wie könnte Père Marie-Joseph sich damit abfinden, dass der Laienorden dort nur ein paar Damen im vorgeschrittenen Alter versammelte? Innerhalb weniger Jahre ruft er Kreise für Jugendliche und junge Leute ins Leben; versammelt junge Familien und Priester. Alle werden sich dazu engagieren, das Evangelium auf den Spuren und in der Familie des Hl. Franziskus zu leben. Einer seiner Mitbrüder, Pater Joseph Sitterlé, bezeugt: das Lebenswerk Père Marie-Josephs, seine Berufung und seine franziskanische Mission bestanden darin, Gott zu kennen und die Menschen dazu zu bringen, Gott kennen- und lieben zu lernen.
ordination sacerdotale

Am Josefsfest, dem 19. März 1932, wird er von Bischof Ruch in Koenigshoffen zum Priester geweiht. Er feiert seine erste hl. Messe am 28. März, und zwar in Eckbolsheim, dem Dorf, in dem er geboren ist.

Ma Mission …

Seine Apostelseele greift sehr schnell um sich. Père Marie-Joseph gehört zu jenen Propheten, die die geistliche Erneuerung dieses Jahrhunderts mitgeformt haben. Der allgemeine Aufruf zur Heiligkeit des 2. Vatikanischen Konzils erfreut ihn ungemein: Heiligkeit soll der Lebensweg jedes Getauften sein.  Auf ganz besondere Weise wandelt er auch mit der Hl. Theresia vom Kinde Jesu, die von Anfang an seine geistliche Richtlinie tief beeinflusst hatte. Er erkannte ihre universelle Ausstrahlung. Die geistliche Fruchtbarkeit des Père Marie-Joseph baut auf auf dem Gebet von Angesicht zu Angesicht mit Gott, wie seine Briefe bezeugen.

Sobald er aus dem „seltsamen Krieg“ zurückkam (1940), ward Père Marie-Joseph zum Bistumssekretär und unterstand von 1941 bis 1944 dem Generalvikar in Metz. Er setzte sich der Gefahr aus, indem er sein Amt in der Pfarrei ausübte, Exerzizien predigte und heimliche Studienkreise abhielt, wie zum Beispiel die der katholischen Arbeiterjugend. 1945 kehrte er ins Kloster in Bitche zurück: alles war wieder neu aufzubauen …
Das Land um Bitche herum war mit Ruinen übersät. Hören wir an, was Pater Huss erzählt: „Père Marie-Joseph widmete sich ganz den franziskanischen Angelegenheiten … Von 1951 bis 1969 war er Direktor der Zeitschrift „St. Franziskus bei uns“. Durch seine dynamische Art inspiriert er Jugendliche und Erwachsene dazu, die verschiedensten Projekte durchzuführen.“
 
Nach und nach vereint er all diese heranwachsenden Gruppen zu einer einzigen Familie: Familien, ältere Menschen, die franziskanische Jugend, die Kindergruppen, die Gruppe der Christus geweihten, die Priester. Jede dieser Gruppen trifft sich einmal monatlich und alle zusammen einmal pro Vierteljahr zu einem Einkehrtag.
 
Jeden Sommer veranstaltet er geistlich betreute Wandertage, Wallfahrten und Zeltlager und erhält auf diese Weise die Treue zur franziskanischen Gesinnung; das sind Stunden, in denen der Hl. Geist jeden tief berührt und in denen jeder von der brennenden Liebe des Paters zu Christus und zur Kirche angesteckt wird. Diese Tage sind wie ein Sprungbrett hin zum weiten Horizont, hin zu den vielfältigsten Engagements in der Kirche und in der Welt.
MA mission

Wir möchten ebenfalls sein Interesse für die Mission erwähnen. Durch Père Marie-Joseph angeregt, entdeckten Roger Lehmann als junger Arzt und seine Frau Elisabeth ihr Berufung, als Missionare im Dienst der Leprakranken nach Madagaskar zu gehen. Auch andere Laien stellten sich in den Dienst der Mission. Hinweisen möchten wir auch auf sein Bestreben, religiöse Berufungen zu wecken. Unter seiner Leitung traten mehrere Mitglieder der franziskanischen Gemeinschaft bei den Klarissinnen und bei den franziskanischen Marienschwestern ein. Er beschäftigte sich ebenfalls ständig mit der franziskanischen Weiterbildung der Erwachsenen sowie der franziskanischen Jugend. Es liegt ihm sehr am Herzen, die Jugendlichen zu treuer Liebe zu erziehen, sei es in der Ehe oder im gottgeweihten Zölibat: beides sind Wege, die franziskanische und evangeliumstreue Berufung in der Welt zu leben.

Von den Päpsten ermutigt, erklärt Père Marie-Joseph unermüdlich, wie die Regel des franziskanischen Laienordens in der Zeit der neuen Evangelisierung dem Durst nach Gott entspricht, der vom Hl. Geist entzündet wird.

Von 1980 an, vereint Père Marie-Joseph sein eigenes Streben trotz gesundheitlicher Probleme und grosser Mattigkeit ganz mit dem missionarischen Elan des Papstes Johannes Paul II. Da er das gesamte Ausmass der Bedeutsamkeit erfasste, ein spirituelles Europa aufzubauen, führte er die franziskanische Gemeinschaft zu allen bedeutsamen Wallfahrtsorten: Rom, Assisi, Lourdes, Altötting, Fatima, Jasna Gora, Lisieux, Jerusalem und gründete gleichzeitig in der Umgebung von Bitche seine samstägliche Mariengruppe in Holbach-Fatima, die stets am ersten Samstag des Monats zusammentraf.

In seiner universellen Gesinnung, regte Père Marie-Joseph die franziskanische Jugend an zum Austausch mit Jugendlichen aus dem Libanon, Polen und Afrika. Er war immer glücklich, wenn sich innerhalb der Kirche die verschiedenen Charismen ergänzten und unterhielt Beziehungen zu vielen Gemeinschaften : Notre Dame de Vie, dem Institut der Hl. Familie in Polen über Bischof Madjanski; das Heim der Hl. Familie in Catignac.
Er ermutigte René Lejeune, der seit langer Zeit Tertiarier war, dazu, eine erste Biographie Karl Leisners zu schreiben und sich einzusetzen für die Seligsprechung Robert Schumanns, dessen Privatsekretär René Lejeune gewesen war und den man den „Vater Europas“ nannte. Er erkannte die tiefen und schmerzlichen Veränderungen in den Kirchen, die zum Schweigen verurteilt waren und unterstützte „Kirche in Not“.
MA mission

Roger Lehmann, Père Marie-Joseph und René Lejeune

Er regte die Familien der franziskanischen Gemeinschaft dazu an, sich einzusetzen für den Ausbau der katholischen Familienverbände in Lothringen, in denen er Keime der Evangeliumswerte erkannte. Verschiedene andere Mitglieder der Gemeinschaft beriet er ebenfalls in ihrem Einsatz in Gewerkschaften.

Obwohl seine Kräfte schwanden und er – wie der hl. Franziskus – immer mehr zum Abbild des leidenden Christus ward, betrachtete er die Zukunft mit Vertrauen: „ Es wird geschehen, wenn der liebe Gott es will, in dem Ausmass und auf die Art, wie er es will.“

père Marie-Joseph et Monseigneur Kazimierz Majdanski, archevêque de Szczecin

Pater Marie-Joseph und Monsignore Kazimierz Majdanski, Erzbischof von Stettin (Polen)

Wir möchten diesen kurzen Ausblick über sein Leben beenden mit einigen seiner letzten Worte: „persönlich möchte ich das „nunc dimittis servum“ singen. Aber da gibt es auch das „non recuso laborem“ des hl. Martin. Die Stunde des nunc dimittis scheint noch nicht geschlagen zu haben. Ein Stückchen Weg ist noch zurückzulegen, und dies im absoluten Vertrauen, dass der Herr in seiner Treue sein Werk nicht untergehen lassen wird – das grosse schöne Werk des Dritten Ordens des Hl. Franziskus. Vor allem in diesen schwierigen Zeiten, in denen der Ruf des göttlichen Retters „Restauriere meine Kirche“ wieder ganz akut wird.

Le père Marie-Joseph avec Yvonne Chami

Père Marie-Joseph mit Yvonne Chami, der Gründerin von Anta-Akhi im Libanon

Warum sollte der Herr in seiner Weisheit und in seiner Barmherzigkeit nicht einen grossen Apostel des Dritten Ordens aus dem Kreis seiner Treuen berufen ? Nichts ist unmöglich für Gott !
Warum sollte sich nicht mitten aus dem Kreis der franziskanischen Laien ein kluger Diener für sein Werk erheben ? Gott ist treu. Er täuscht uns nicht. Hoffnung im Glauben wird niemals missachtet werden, vor allem, wo wir alle der Jungfrau Maria geweiht sind.“

Das letzte Wort des Paters am 27. Juli 1993, in dem Moment, in dem er ins Leben eintrat, war „die Vorsehung“.

Notre Dame de Vie

Messe im Institut Notre Dame de Vie 1981